Ich
Biografie?
JRH Fotos
Interview
Sein
juttarh02

Interview mit meinem Überich

 

ÜI: Während ich mir herausnehme, einige Zeit zu überlegen, wünsche ich mir spontane Antworten von dir.

JRH: Das weiß ich.

ÜI: Also gut. Wer bist du?

JRH: Die Frage kam zu schnell, du darfst ruhig länger überlegen.

ÜI: Ich übe noch. Es ist nicht leicht, diese Distanz zu schaffen und das Tempo zu drosseln. Vielleicht bin ich auch wie du?

JRH: Das wäre gar nicht so dumm, dann wäre ich ja ziemlich ausgeglichen.

ÜI: Richtig.

JRH: Gibt es dich überhaupt?

ÜI: Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Oder sollte ich dich das fragen?

JRH: Im Grunde ist das Jacke wie Jacke.

ÜI: Vielleicht sind wir nur eine Erfindung irgendwelcher Schubladenliebhaber unter den Psychoanalytikern?

JRH: Kommt das nicht von Freud?

ÜI: Ich glaube ja, bin mir jedoch nicht sicher. Im Zweifelsfalle muss immer der Freud herhalten. Ist aber eigentlich auch egal oder nicht?

JRH: Stimmt. Es ändert nichts an der Spaltung. Also mit wem rede ich dann gerade?

ÜI: Mit mir.

JRH: hmmm

ÜI: Es gab eine lange Pause.

JRH: Ja, weil ich in der Küche war, kochen, essen, aufräumen und vieles mehr.

ÜI: Weiß ich doch, wieso erzählst du mir das?

JRH: Weil ich es gar nicht dir erzähle, sondern unseren potenziellen Lesern.

ÜI: Endlich, das meine ich doch.

JRH: Sind wir damit narzisstisch?

ÜI: Nur während des Schreibvorganges.

JRH: Wieso denn das nun?

ÜI: Weil wir, also ich, gut, du, na, nun lass uns doch mal einigen, also weil unsereiner dabei sich schreibend spiegelt.

JRH: Wie soll das gehen? Ich bin aber kein Schreibstück.

ÜI: Das ist richtig.

JRH: Ja und?

ÜI: Ich suche noch.

JRH: Ich weiß es längst.

ÜI: Ich auch.

JRH: Können wir es dann nicht sein lassen, das Geschreibsel hier?

ÜI: Für unsereiner ja. Uns reicht ja das Denken.

JRH: Oder auch nicht.

ÜI: Oder auch nicht, will sagen, will heißen, was denn nun?

JRH: Sind wir Autisten?

ÜI: Nein.

JRH: Eben.

ÜI: Schreiben ist ein Mittel der Kommunikation.

JRH: Eben das.

ÜI: Also doch kein Narzissmus?

JRH: Was ist Narzissmus?

ÜI: Eigentlich die Selbstbespiegelung.

JRH: Und die Verliebtheit ins eigene Spiegelbild.

ÜI: Nichts dagegen zu sagen. Wir mögen uns doch.

JRH: Ja, so sieht es aus.

ÜI: Dann lass uns doch frei weg lieben.

JRH: Machen wir doch.

ÜI: Und wozu nun das Geschreibsel?

JRH: Narzissmus kann es nicht sein.

ÜI: Vielleicht eine narzisstische Störung?

JRH: Das wäre was anderes.

ÜI: Erzähl, was denn?

JRH: Das wäre, wenn sich jemand anderes in uns verguckt und nicht merkt, dass wir, also ich, nicht er bzw. sie ist.

ÜI: Und du meinst, so was gibt es? Wieso merkt der oder die das denn nicht? Liegt doch offen und klar, dass ich ich bin und jeder andere ein anderer.

JRH: Scheinbar doch nicht.

ÜI: Damit sagst du, dass Verlieben gleich eine narzisstische Störung ist.

JRH: Nein, muss es nicht sein. Kann es.

ÜI: Aber wie und wann und warum?

JRH: Stell dir mal vor, wir beide würden uns nicht verstehen, wir würden ständig aneinander vorbei reden.

ÜI: Aha, jetzt komm ich fast von selbst drauf.

JRH: Eben, weil wir uns mögen und gegenseitig fördern. Wir sind lebendig. Wir sind rege. Wir bewegen uns unentwegt und halten nichts fest.

ÜI: Du meinst also, eine narzisstische Störung hätte etwas mit Festhalten zu tun?

JRH: Ja, auch mit Festhalten. Mit Sturheit. Stell dir vor, wir wären innerlich ganz starr und schauen in den Spiegel. Tod.

ÜI: Aber manchmal sind wir doch auch ganz ruhig und schauen in den Spiegel. Das ist nicht tot.

JRH: Ja, stimmt. Also gehört noch mehr dazu. Einsame Kindheit, gefangen in einem Kerker der Lieblosigkeit. Kein reges, beseeltes, lebendiges Gegenüber.

ÜI: Was hat das mit Narzissmus zu tun?

JRH: So noch gar nichts.

ÜI: Es wird immer komplizierter.

JRH: Was meinst du, warum es so viele dicke Bücher gibt, die es trotzdem nicht besser erklären können als wir.

ÜI: Na gut. Wir probieren uns wenigstens darin.

JRH: Genau.

ÜI: Eigentlich spielen wir beide gerade Mutter und Kind.

JRH: Schön ausgedrückt.

ÜI: Und so einfach.

JRH: Das hieße, wenn das Kind einen lebendigen Gesprächspartner hatte, versteht es sich auch mit seinem Überich.

ÜI: Dann bin ich also die potenzielle Mutter?

JRH: Durchaus. Oder der Vater, ein Bruder, eine Schwester, das Kindermädchen, ein Onkel, wer auch immer sich kümmert um das Kind.

ÜI: Dann wird’s voll bei mir.

JRH: Vielleicht auch schön bunt und abwechslungsreich.

ÜI: Doch, das mag ich.

JRH: Ich auch.

ÜI: Klar doch. Und wenn ich niemand bin oder nur ein bewegungsloses Wesen, eine Mutter ohne Vielfalt, dann siehst du mich auch so und weißt es nicht anders.

JRH: Und ich lerne nichts anderes kennen. Vielleicht liebe ich die Einfalt dann?

ÜI: Liegt nahe.

JRH: Und worin liegt dann die Störung?

ÜI: In der Begegnung zu anderen Menschen, die mehr Vielfalt lieben und den Einfältigen damit überfordern.

JRH: Oder umgekehrt, der Vielfältige ist vom Einfältigen gelangweilt.

ÜI: Fühlt sich eingeengt.

JRH: Das ist es! Darunter leide ich oft!

ÜI: Ich auch.

JRH: Worunter?

ÜI: Unter der Einfalt unserer Mitmenschen. Sie langweilen mich schnell. Ich brauche dann Abwechslung.

JRH: Und die Einfältigen finden uns immer zu vielfältig. Die brauchen keine Abwechslung.

ÜI: Denen sind wir zu viel.

JRH: Dabei bin ich doch nur eine.

ÜI: Aber eine bunte Mischung und sehr lebendig.

JRH: Soll ich mich denn einsperren lassen deshalb?

ÜI: NEIN!

JRH: Oder schämen?

ÜI: NEIN!

JRH: Was dann?

ÜI: Weiß nicht. Manchmal bin ich ratlos. Ich glaube, wir sollten uns dann einfach unterhalten.

JRH: So wie jetzt.

ÜI: Ja. Und die Einfältigen einfältig sein lassen.

JRH: Bleibt uns ja nichts anderes übrig.

ÜI: Sehe ich auch so.

JRH: Was ist nun mit dem Narzissmus?

ÜI: So lange wir beide uns verstehen gar nichts weiter.

JRH: Aber wer versteht sich denn nicht mit seinem ÜI?

ÜI: Vielleicht die Einfältigen?

JRH: Aber die wollen doch nur das, was sie sowieso schon kennen. Also müssen die ihr ÜI doch lieben!

ÜI: Tun sie auch.

JRH: Vielleicht sollten die einfach nur allein gelassen werden, die wollen ja nichts anderes. Wir stören immer.

ÜI: Weiß auch nicht. Kann schon sein.

JRH: Ich werde es probieren. Ich geh nicht mehr hin zu den Einfältigen.

ÜI: Na gut, lassen wir es.

JRH: Ich mag nicht stören.

ÜI: Ich auch nicht.

JRH: Ich bin froh, dass es dich gibt.

ÜI: Ich auch.

JRH: Dann sind wir uns ja einig.

ÜI: Schön!

JRH: Danke für das nette Gespräch.

ÜI: Immer gerne wieder jeder Zeit!

JRH: Gleichfalls.

 

Seitenanfang

 

© 2004 Jutta Riedel-Henck